Tagebucheintrag eines Mobbingopfers
Mobbing ist eine der unnötigsten Erfahrungen, die ein Mensch in seinem Leben machen kann. Es hinterlässt seelische Wunden, die manchmal niemals vollständig verheilen können. Früher hieß es, die Opfer sollen doch einfach die Zähne zusammenbeißen und nicht so empfindlich reagieren – heute ist das Bewusstsein für Mobbing gestiegen und es gibt effektive Wege, die Situation anzugehen und einen Ausweg zu finden. Was hilft wirklich und wie kann ein Mobbingopfer seine eigene Situation am Schopf packen und selbst aktiv werden?
Wege aus dem Mobbing: Was hilft wirklich?
Mobbing ist manchmal schwer zu erfassen, denn oft „machen“ die Täter ja gar nichts. Nur wegen schiefer Blicke, der völligen Verweigerung eines Gesprächs oder dem Umstand, dass alle von Events erfahren, nur man selbst nicht, kann niemand zum Chef, Schuldirektor oder Dekan gehen und sich beschweren. Trotzdem gilt: wer sich gemobbt fühlt, bildet sich in den meisten Fällen nichts ein, sondern befindet sich wirklich in einer prekären Situation. Der erste Schritt ist also das Eingeständnis des Opfers, dass hier wirklich Mobbing stattfindet und dass es gut und richtig ist, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Denn ein Dauerzustand darf das nicht werden.
4 von 5 Versuchen scheitern
4 von 5 Versuchen, sich ganz alleine und aus eigener Kraft aus dem Teufelskreis Mobbing zu befreien, scheitern. Das liegt daran, dass es sich um verfahrene Situationen handelt, die niemand richtig erklären kann und die genauso schwer zu lösen sind, wie sie zu beschreiben wären. Wer hat angefangen und warum eigentlich? Warum verhalten sich die Täter so, wie sie es tun? Auf derartige Fragen werden die Täter niemals sinnvoll antworten können. Deswegen ist es in vielen Fällen der leichteste Weg, sich der Situation zu entziehen und gar keine Zeit mehr mit den Tätern zu verschwenden – sie sind es gar nicht wert. Der Austritt aus dem Verein, ein Wechsel des Jobs oder der Schule können die Situation in kurzer Zeit auflösen und einen Neuanfang ermöglichen.
Schritt 1: Verbündete suchen
Wer sich nicht einfach aus der Situation lösen kann oder will, darf dennoch nicht allein bleiben. Neben den Tätern gibt es immer auch Mitläufer, die von der Sache aber gar nicht so überzeugt sind. Können diese Leute auf die eigene Seite gezogen werden? Je mehr Leute hinter einem Mobbingopfer stehen, desto schwerer fällt es den Tätern, so wie bisher weiterzumachen. Denn sie wollen mit den anderen ja gar nichts anbrennen lassen – möglicherweise halten sie sich alleine dadurch zurück. Wenn sie es nicht tun, dann gibt es jetzt Zeugen und Unterstützer. Bestenfalls sucht sich ein Mobbingopfer Unterstützung bei einem Vorgesetzten oder einer Person, die ein Machtwort sprechen kann. Eine offensive Ansprache in großer Runde und direktem Gespräch mit dem Täter und die bewusste Verwendung des Wortes Mobbing schaffen beim Täter oft erst das Bewusstsein dafür, dass sein Verhalten inakzeptabel ist und Konsequenzen haben wird.
Schritt 2: Deutliche Grenzen ziehen
Im Erwachsenenalter läuft Mobbing oft viel subtiler ab als unter Kindern und Jugendlichen, bei denen es leider oft sogar zu körperlichen Übergriffen kommt. Trotzdem hilft in beiden Fällen dasselbe: Grenzen ziehen, sich wehren. Hierbei kann ein Abgrenzungstraining helfen, auch ein Selbstverteidigigungskurs ist eine gute Idee. Bei unpassenden Bemerkungen hilft es, in die Offensive zu gehen und zu fragen, wie sie gemeint waren, ob der Täter seine eigene Aussage nicht etwas verkehrt findet oder wirklich hinter dem steht, was er gerade gesagt hat. Das bringt viele Mobber aus dem Konzept. Wenn jemand einem anderen Menschen wirklich zu nahe kommt, ist Körpersprache ein sehr effektives Mittel. Eine vorgehaltene Hand und ein deutliches: „Stopp! Ich will das nicht!“, können nicht einfach übergangen werden, andernfalls macht sich der Täter indiskutabel schuldig. Das würde er nicht riskieren. Je früher ein Mobbingopfer sich wehrt, desto eher erkennt der Täter, dass er so nicht weiterkommt.
Schritt 3: Einsichten und Erkenntnisse zulassen
Beim Mobbing ist das Opfer nicht die einzige Seite, die ein Wechselbad der Gefühle durchlebt. Täter tun das nicht aus Spaß, sondern beispielsweise, weil:
- sie sich selbst klein, unwichtig und inkompetent fühlen
- sie andere kontrollieren und klein machen müssen, um sich selbst gut zu fühlen
- sie verunsichert sind
- sie nicht auf eine gesunde, normale Art kommunizieren können
Das soll keinesfalls Mitgefühl für sie wecken. Kein Mobbingopfer muss einem Täter deswegen anders begegnen. Vielmehr sollte das zu der Erkenntnis führen, dass es bei Mobbing vielleicht nie einen echten Konsens oder auch nur Verständnis für die andere Seite geben kann oder muss. Vielmehr sollte das Ziel angestrebt werden, besser miteinander auszukommen, ohne dass dabei jemand zu Schaden kommt. Es kann zwar ein klärendes Gespräch mit dem Täter geführt werden, doch wenn das nicht hilft, spricht nichts dagegen, sich über die Person zu beschweren oder gar juristisch gegen sie vorzugehen. Verständnis und Einsicht werden andernfalls nie entstehen und die Situation lässt sich womöglich nicht anders klären.
Schritt 4: Beweise sammeln und sich mitteilen
Mobbing lässt sich leider nicht immer friedlich klären. Jeder Betroffene sollte daher damit rechnen, irgendwann Beweise liefern zu müssen. Wer wirkt wohl glaubwürdiger? Jemand, der sich vorher noch nie beschwert hat und der jetzt den Vorwurf Mobbing erhebt – oder jemand, der sich bereits früher beim Chef kritisch über die Kollegen geäußert, die Personalabteilung informiert hat und deswegen womöglich bereits beim Arzt war? Problematische Gespräche und Situationen mit Kollegen sollten wie in einem Tagebuch dokumentiert werden, denn nur aus der Erinnerung heraus von Vorfällen zu berichten, kann schwierig sein. Wenn noch weitere Personen den Vorfall bezeugt haben, sollten sie gefragt werden, ob sie das auch bestätigen würden – beispielsweise bei einer Beschwerde über den Täter.