Achtsamkeit üben

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Achtsamkeit

Viele kennen Achtsamkeit aus dem Yoga und stempeln es schnell als “spirituellen Blödsinn” ab. Tatsächlich hat Achtsamkeit einen wichtigen Stellenwert im persönlichen Coaching. Achtsamkeit ist eine der 4 Basiskompetenzen der Resilienz und ein wichtiger Baustein für den bewussten Umgang mit den eigenen Emotionen. 

Was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit entwickeln bedeutet, Klarheit in der Selbstwahrnehmung zu gewinnen und direkte Einsicht in innere Prozesse zu erlangen, das bedeutet zu verstehen, wie es dir geht und warum. Ein achtsamer Umgang mit dir selbst erlaubt es dir, aufkommende Probleme und innere Konflikte bewusst wahrzunehmen, aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und deine Reaktionen darauf proaktiv zu gestalten. 

Vorteile von Achtsamkeit 

Warum ist Achtsamkeit wichtig? Eine realistische und umfassende Wahrnehmung der inneren Prozesse führt zu:

  • Klarheit über die eigene psychische Gesundheit 
  • Handlungsspielraum bei emotionalen Herausforderungen 
  • Klarheit über die eigene Motivation und eventuelle Hürden 
  • Unter- und Überforderung erkennen
  • Bessere Kommunikation mit eigenem Umfeld 

Bereiche der Achtsamkeit 

Achtsame Beobachtung richtet sich sowohl an dein Inneres als auch an dein Äußeres. Je nach Fokus kannst du dich mit unterschiedlichen Bereichen auseinandersetzen. Beim Bodyscan liegt der Fokus beispielsweise darauf, deinen Körper zu fühlen und festzustellen, wie es dir jetzt gerade in diesem Moment geht. Andere Übungen fokussieren sich stattdessen mehr auf deine Emotionen und Empfindungen und helfen dir, deinen emotionalen Ist-Zustand zu bestimmen. 

  • Körper
  • Empfindungen 
  • Emotionen 
  • Gedanken 

Achtsamkeit als Werkzeug in Krisensituationen 

Im Falle einer Krise kann Achtsamkeit dabei helfen, die emotionale Reaktion auf besagte Krisensituation zu regulieren. Ein achtsamer Ansatz erlaubt es dem Betroffenen mit Bedacht zu reagieren, seine Reaktionen zu hinterfragen und durch aktive Anpassung einen Teil der Kontrolle wieder zurück zu gewinnen. 

Wird in einer emotional komplexen Situation keine Achtsamkeit praktiziert, kann das dazu führen, dass sich mit der Krisensituation nicht vernünftig auseinander gesetzt und dass sie im schlimmsten Fall verdrängt wird. 

Bin ich Herr meiner Emotionen?

Fühlst du dich manchmal von emotionalen Zuständen überrollt und kannst erst zeitlich versetzt Rückschlüsse ziehen? Reaktives Verhalten kann durch Achtsamkeit besser kontrolliert und gesund verzögert werden. 

Unsere emotionalen Reaktionen bestehen aus 4 Grundemotionen: Vergnügen, Schmerz, Wut und Angst. Sie werden im Affekt gebildet und fühlen sich häufig nicht steuerbar an. Tatsächlich kannst du deine Emotionen nicht einfach abschalten. Durch intensives Training kannst du aber lernen, dich von ihnen zu distanzieren und dir selbst eine mehr beobachtende Haltung einzunehmen. Das erlaubt dir, Gefühle in ihrer Qualität und Intensität zu steuern und lösungsorientiert mit ihnen umzugehen. 

Was heißt das konkret? Emotionen werden intensiver empfunden, wenn wir uns emotional mitten in der Situation befinden als wenn wir das Gefühl haben, als Beobachter neben ihnen zu stehen. Keiner der beiden Zustände ist zwingend besser als der andere, aber beide haben ihre Vorteile. Durch Achtsamkeit kannst du lernen, diese eigenständig zu kontrollieren und situativ bedingt die richtigen auszuwählen. 

Emotionen zulassen 

Seit unserer Kindheit haben wir gelernt, wie man sich “richtig” verhält, häufig ohne das im Erwachsenenalter zu hinterfragen. Vielleicht haben wir gelernt, nicht zu weinen, wenn wir traurig sind, um tapfer zu wirken oder unsere Wut zu unterdrücken, weil es eine Belastung für Andere darstellt. Unser emotionales Verhalten ist intensiv geprägt von Glaubenssätzen, die wir im Laufe unserer Kindheit von anderen Menschen übernommen haben. Auch gesellschaftlich immer wiederholte Stereotypen wie “Männer weinen nicht” oder “Ein gutes Mädchen hat sich zu benehmen” können unsere emotionalen Reaktionen beeinflussen. Statt das passende Gefühl auszuleben, bedienen wir uns Ersatz-Gefühlen und angepassten Reaktionen. Typischerweise werden Gefühle der Traurigkeit häufig durch Wut ersetzt. Achtsamkeit hilft dir dabei, dein eigenes Verhalten zu analysieren und dadurch ihre Reaktion auf emotionale Herausforderungen aktiv mitgestalten. 

Den Fokus setzen

Als du das letzte Mal zum Supermarkt gelaufen bist, sind dir bestimmt Menschen entgegen genommen. Wie sahen die aus? Waren das Männer oder Frauen? Wahrscheinlich kannst du darauf nur eine sehr vage Antwort geben und das ist ganz normal. Wir sind selbst in den banalsten Situationen meistens abgelenkt und mit unserem Kopf irgendwo ganz anders. In der Achtsamkeitspraxis geht es darum, Ablenkungen als solche wahrzunehmen, aber die Aufmerksamkeit immer wieder auf das Hier und Jetzt zurück zu bringen. Den Fokus auf das, was vor dir liegt, zu setzen, wird dir nicht von jetzt auf gleich gelingen. Es erfordert Übung und Wiederholung. Ziel ist es, zu beobachten, anstatt zu werten. 

Die Dinge beim Namen nennen 

Unser Gehirn versucht ständig, aus dem Gesehenen und Erlebten Schlüsse zu ziehen, Beziehungen herzustellen und Sinn zu erzeugen. Ein wichtiger Teil der Achtsamkeitsübungen ist es, das Wahrgenommene ohne Bewertung zu benennen. Das hilft dir dabei, Automatisierungen zu durchbrechen und langfristig antrainierte Handlungsimpulse abzulegen. Dabei entlernen wir, direkt zu bewerten und eine oft falsche vorgefertigte Meinung zu entwickeln. Stattdessen kannst du die Dinge neutral wahrnehmen und benennen und hast mehr Handlungsspielraum, wenn du urteilst. 

Reaktionen anpassen 

Wir sind es gewohnt, auf Situationen impulsiv zu reagieren und erst im Nachgang darüber nachzudenken, ob die Reaktion eigentlich passend war. Das führt dazu, dass wir unsere Handlungen regelmäßig bereuen, Dinge sagen, die wir eigentlich nicht so meinen oder uns zu reaktiven Ersatz-Gefühlen hinreißen lassen. 

Solche verbalen Automatismen sind selten lösungsorientiert und fühlen eher zu mehr Konflikt als ihn aufzulösen. Achtsamkeitspraxis hilft dir dabei, deine Reaktion einige Augenblicke zu verzögern, sodass du deine Handlung bewusst bewerten und gegebenenfalls anpassen kannst. 

Kurze Atemübungen einbauen 

Schon 5 Minuten täglich werden dein Achtsamkeitsempfinden langfristig verändern. Die Atmung ist normalerweise ein Automatismus, über den wir selten nachdenken. Unsere Atmung kann massiv beeinflussen, wie wir uns fühlen. Sie kann zur Regulation des vegetativen Nervensystems genutzt werden und uns in Stresssituationen bewusst dabei helfen uns zu beruhigen. Lange, tiefe Atemzüge fördern außerdem die Konzentration und verhelfen uns zu innerer Ruhe. 

Du kannst diese Atemübung sitzend, stehend, liegend oder sogar im Laufen durchführen. Schließe deine Augen oder erweitere deinen Fokus, ohne einen bestimmten Punkt direkt anzusehen. 

Atme tief durch die Nase in den Bauch hinein. Fühle, wo du den Atem am meisten spürst. Spüre bewusst, wie sich deine Bauchdecke hebt, wie die Atmung vielleicht an der Nasenspitze kitzelt. Stell dir vor, dass die Luft deinen ganzen Körper mit Sauerstoff versorgt. Halte kurz inne und Stell dir vor, wie er durch deine Arme läuft, deine Beine und deine Zehen und Fingerspitzen versorgt werden. Atme langsam durch den Mund wieder aus. Wiederhole das 5x und finde dann langsam deinen eigenen Rhythmus. Sobald sich ein Gedanke einschleicht, schau ihn dir kurz an und lass ihn dann wieder los. Halte nicht daran fest, sondern richte deine Aufmerksamkeit wieder auf die Atmung. Diese Übung kannst du über den Tag verteilt mehrmals wiederholen und so Konzentration und Fokus zurück holen.