Impostor Syndrom findet nicht nur am Arbeitsplatz statt

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Impostor Syndrom nicht nur am Arbeitsplatz

Die entsprechenden Qualifizierungen, gute Kenntnisse der eigenen Fähigkeiten und eine gute Portion Selbstvertrauen – daraus ist Erfolg gemacht. Trotzdem haben viele erfolgreiche Menschen ein dunkles Geheimnis: Sie fühlen sich als Hochstapler bzw. leiden am sogenannten Impostor Syndrom. Das bedeutet, sie stehen unter dem Eindruck, ihre Karriere nicht zu verdienen und haben Schwierigkeiten, Erfolge zu verinnerlichen. Das führt dazu, dass sie ständig unter der Spannung stehen, zu befürchten, von ihren Kollegen ‘enttarnt’ zu werden. Ihre tatsächlichen Erfolge sprechen eine ganz andere Sprache. Wer am Impostor Syndrom leidet, ist meist hochqualifiziert und in den Augen von Kolleginnen und Kollegen hoch angesehen. Tatsächlich kann man ein Impostor Syndrom nicht nur am Arbeitsplatz, sondern in den unterschiedlichsten Kontexten entwickeln. 

Die 3 Elemente des Impostor Syndroms 

70% aller Menschen leiden irgendwann in ihrem Leben am Impostor Syndrom. 1 Das Gefühl, ein Impostor oder auf deutsch Hochstapler zu sein, setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: 

  1. Das Gefühl, dass andere die eigenen Leistungen und Fähigkeiten fälschlicherweise höher einschätzen; 
  2. Die Angst, ‘enttarnt’ zu werden; 
  3. Probleme, eigene Erfolge anzuerkennen und zu integrieren. (Erfolge werden heruntergespielt und auf Glück oder Zufall geschoben.)

Das Hochstapler Syndrom ist übrigens nicht gleich zu setzen mit einem Mangel an Selbstbewusstsein. Vielmehr nehmen Betroffene sich selbst aus einer verschobenen Perspektive wahr. Ihnen fällt es schwer, ihre Erfolge auf selbst geleistete Arbeit zurückzuführen. Stattdessen gehen sie davon aus, dass sie zu unrecht und durch Glück und Zufall in ihrer aktuellen Position sind und fürchten sich ständig davor, durch einen Kollegen ‘enttarnt’ zu werden. 

Unterschiede in der Ausprägung

Betroffen zu sein bedeutet nicht, dass man sich ständig und in jeder Arbeitssituation als Hochstapler fühlen. Dieser Zustand hält außerdem je nach Person und Umstand unterschiedlich lange an. Das Gefühl kann sich nach den ersten paar Wochen im neuen Job einfach wieder verflüchtigen, bei anderen hält es Jahre lang an und wird irgendwann zur psychischen Belastung. 

Imposter Syndrom Expertin Dr. Valerie Young hat die Gruppe der Imposter in fünf verschiedene Kategorien unterteilt: Perfektionist, Superheld, Naturtalent, Solist und Experte. Je nach Impostor Typ, treten die Symptome unterschiedlich auf: 

Perfektionist 

Die eigenen Messlatte für Perfektionisten hängt extrem hoch. Das führt zu selbsterzeugtem Leistungsdruck und dem Hang zu Unzufriedenheit, selbst wenn ein Projekt von allen anderen als erfolgreich gesehen wird. Perfektionisten fällt es im Job schwer, Aufgaben an andere Kollegen abzugeben, sie neigen zu Micromanagement. Erledigen sie ihre Aufgaben nicht zu 100% perfekt, sind sie enttäuscht und ärgern sich darüber noch Tage später. 

Gehört du ebenfalls zu den Perfektionisten unter uns, kannst du dich folgendermaßen dazu konditionieren, deine Erfolge zu schätzen: 

  • Lerne, Aufgaben abzugeben, bevor du 100% zufrieden bist. Manchmal ist “gut genug” absolut ausreichend und spart dir Zeit, die du für andere Projekte gebrauchen kannst. 
  • Schätze die Arbeit deiner Teamkollegen. Es ist wichtig, anderen Vertrauen entgegen zu bringen und sie ihre Arbeit erledigen zu lassen, ohne ständig kontrollierend über die Schulter zu schauen.
  • Lerne von deinen Fehlern, statt dich über sie zu ärgern. Sie sind ein Teil deines natürlichen Lernprozesses und deshalb wichtig und notwendig. 

Superheld 

Superhelden haben das Gefühl, ihren selbst empfundenen Mangel an Können ausbalancieren zu müssen. Sie sind Workaholics bleiben länger als alle anderen, nehmen Extra Projekte an und sind immer hilfsbereit zur Stelle, wenn jemand Arbeit abgeben möchte. Auch wenn solche Kollegen häufig sehr beliebt sind, leiden sie oft insgeheim unter ihrer Hilfs- und Arbeitsbereitschaft. Langfristig kann das zu Überarbeitung, Burnout und Depressionen führen. 

Auch wenn Feedback wichtig ist, die Einschätzung anderer sollte nicht deinen Wert als Person bestimmen. Trainiere dich selbst, Wertschätzung für dich selbst und deine Arbeit zu entwickeln und deinen beruflichen Stolz darauf zu basieren. Ein Coach oder Trainer kann dir dabei helfen, ein besseres Werteverständnis zu entwickeln. 

Naturtalent 

Wer bereits in der Schule als High Achiever galt, misst häufig seinen eigenen Wert nicht am Ergebnis, sondern daran, wie schwierig es war, dorthin zu kommen. Dadurch haben Menschen dieser Personengruppe häufig Schwierigkeiten, ihre Erfolge als solche wahrzunehmen, weil sie denken, nicht genug Arbeit investiert zu haben. Sie sind häufig Autodidakten und haben Schwierigkeiten, von Anderen zu lernen und Metorfiguren anzunehmen. 

Naturtalente neigen dazu, Aufgaben zu vermeiden, die sie lernen müssen und die ihnen nicht beim ersten Versuch gelingen. Trifft das auf dich zu, kann es helfen, dir bewusst einen Coach oder Mentor zu suchen, Schwächen zu identifizieren und bewusst an ihnen zu Arbeiten. Niemand ist in allem ein Naturtalent und mit der Zeit kannst du lernen, den eigenen Fortschritt aktiv zu schätzen. 

Solist 

Teamarbeit liegt dem Solisten nicht. Sie bevorzugen es, Aufgaben alleine zu lösen und messen ihren Wert an der Fähigkeit ohne Hilfe auszukommen. Statt auf Ressourcen zurück zu greifen, beißt er sich lieber an einem Problem die Zähne aus, Hauptsache, es wurde eigenständig gelöst. 

Lerne, um Hilfe zu fragen. Andere Menschen empfinden es als Wertschätzung, wenn ihre Expertise und ihr Können gefragt ist. Du kannst Projekte so schneller lösen und gleichzeitig wertvolle Beziehungen am Arbeitsplatz aufbauen. 

Experte 

Der Experte fürchtet sich vor seinen eigenen Wissenslücken. Auf neue Jobs bewirbt er sich nur, wenn er jeden einzelnen Punkt in der Ausschreibung perfekt erfüllt. Er ist lieber über-vorbereitet, als gestehen zu müssen, dass er eine Aufgabe erst lernen muss. 

Genau da liegt die Chance. Gewöhne dir an, Skills am Projekt zu lernen und nicht bereits zu Hause vorzubereiten. Die eigenen Fähigkeiten zu erweitern, ist Teil der beruflichen Entwicklung. Gleichzeitig können Experten davon profitieren, ihr Wissen mit jüngeren Kollegen zu teilen und Mentorrollen einzunehmen. 

Wo fühlst du dich als Hochstapler?

Das Impostor Syndrom ist nicht ausschließlich auf den Arbeitsplatz beschränkt. Jede neue, ungewohnte Umgebung kann zur Herausforderung werden. 

Impostor Syndrom kann zum Beispiel in folgenden Kontexten auftreten: 

Im Studium oder in der Ausbildung

Der Vergleich mit anderen Kommilitonen oder Mitauszubildenden kann dazu führen, dass man selbst das Gefühl hat, “nicht genug zu tun”. Vor allem, wer bereits in der Schule durch wenig Aufwand gute Erfolge verbuchen konnte, kann das Gefühl entwickeln, weniger Arbeit als andere in Projekte zu stecken und trotzdem gute Ergebnisse zu erzielen. Oder im Umkehrschluss kann der direkte Vergleich mit anderen einen Konkurrenzdruck erzeugen, der zu einer dauerhaft negativen Einschätzung der eigenen Leistungen führt. 

In einer neuen Rolle

Neue Aufgaben, neue Verantwortlichkeiten. Eine neue Rolle kann Stress hervorrufen und die Angst, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Viele Menschen fühlen sich zu anfangs als Hochstapler bis sie sich in ihre Rolle eingefunden haben und sich mit ihren Aufgaben vertraut fühlen. Sollte das Gefühl über die ersten Wochen oder Monate hinaus anhalten, kann das zum Problem werden. 

An einem neuen Arbeitsplatz

Die erste Orientierung in einem neuen Umfeld bringt viele Herausforderungen mit sich. Während manche Menschen sich in solchen Situationen absolut wohl fühlen, haben andere stattdessen mit ihrem inneren Impostor zu kämpfen. Die ersten Sitzungen fühlen sich nach Stress an, die Angst, im Vergleich zu den Kollegen weniger qualifiziert zu sein und dabei erwischt zu werden, ist ständig präsent. Wichtig ist, sich vor Augen zu führen, dass man auf Grund seiner Fähigkeiten und einem überzeugenden Bewerbungsgespräch eingestellt wurde. Es ist ganz normal, sich in die eine oder andere Aufgabe erst hinein finden zu müssen. 

Im Freundeskreis oder in Beziehungen 

Sich in Freundschaften oder Beziehungen als Hochstapler zu fühlen, ist ein weniger diskutiertes Phänomen. Betroffene haben ständig das Gefühl, sich die Zuneigung ihrer Freunde ‘erschlichen’ zu haben. Sie denken, dass sie dem Freund oder Partner weniger zu bieten haben und dass ein unausgeglichenes Verhältnis innerhalb der Beziehung besteht. Deshalb neigen sie zur Überkompensation und zu Verlustängsten. 

Quellen: 

1 Ravindran, Sandeep (November 15, 2016). „Feeling Like A Fraud: The Impostor Phenomenon in Science Writing“. The Open Notebook.

Valerie Young: The Secret Thoughts of Successful Women: Why Capable People Suffer From the Impostor Syndrome and How to Thrive in Spite of It

Weitere Ressourcen

Nature: Chris Woolston: Faking it. 

Der Impostor Syndrom Test von Dr. Pauline R. Clance: Ein Score von unter 40 besagt, dass einige Charakteristiken auf dich zutreffen, ein Score von 40 – 60 wird als moderat bezeichnet, Ergebnisse über 80 weisen darauf hin, dass du unter starken Symptomen leidest. 

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