Wir alle verhandeln beinahe täglich oder nicht? Sei es beruflich oder privat. Wir alle wünschen uns, dass unsere Interessen und Wünsche möglichst umgesetzt werden. Gleichzeitig wissen wir, dass auch unser Gegenüber gesehen und gehört werden möchte. Die Verhandlungstechnik der Goldenen Brücke berücksichtigt genau das:Das Bedürfnis eines Menschen, sein Gesicht zu wahren. Warst Du nicht auch schon einmal in einer Situation, in der Du eigentlich nachgeben wolltest, aber Dich aus Stolz dagegen gesperrt hast? Uns zumindest sind solche Emotionen vertraut. Das menschliche Ego ist ein wichtiger und meist dominanter Part unserer Persönlichkeit. Indem wir unserem Verhandlungspartner eine „goldene Brücke bauen“ geben wir ihm die Chance auf einen sanften Ausstieg, ohne dass das Ego verletzt wird.
Genau deshalb ist die Verhandlungstechnik nach Prof. Dr. Jack Nasher so wirksam – oft ist ein gutes Gefühl des Gegenübers alles, was es braucht, um eine Verhandlung für uns entscheiden zu können. In diesem Artikel erfährst Du alles über die Technik, was Du brauchst, um erfolgreiche Deine nächste Verhandlungssituation zu entscheiden!
Die Redewendung „Goldene Brücke“
Die Taktik basiert auf einer langen Tradition. Die Redewendung war im Kern eine alte Kriegsregel, die besagt: Man lässt einen geschlagenen Feind ziehen. Wer verloren hat, muss sich ohne Scham zurückziehen dürfen. Die goldene Brücke ist eine Metapher für die Chance, den Rückzug anzutreten, ohne weiteren Schaden befürchten zu müssen. Die Entscheidung aufzugeben soll erleichtert werden.
Egal in welcher Verhandlungssituation wir uns befinden, wir Menschen ticken immer gleich. Wir möchten unsere Würde waren. Genau aus diesem Grund ist die Verhandlungstipp universell anwendbar und hat einen sehr weiten Wirkungskreis, beispielsweise in der Politik.
So wird davon berichtet, dass durch die Taktik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der drohende, dritte Weltkrieg abgewendet werden konnte. Im Zuge der Kubakrise gerieten die USA und die Sowjetunion in einen schwerwiegenden Konflikt. Die USA wollte nicht, dass ihr „Erzfeind“ Raketen in Kuba stationierte. Glücklicherweise konnten sich beide Nationen auf folgenden Deal einigen: Die Sowjets entfernten die Raketen aus Kuba und die USA versicherten, Kuba nicht anzugreifen. Weiterhin entfernte die USA ihre Raketen aus der Türkei.
Der letzte Part des Deals durfte zur damaligen Zeit jedoch nicht veröffentlicht werden. Hier kommt die Methodik der Goldenen Brücke ins Spiel: Durch die Geheimhaltung konnte Kennedy sein Gesicht wahren. Im Gegenzug versprach er, nicht öffentlich über den Verhandlungssieg, der Abzug der Raketen aus Kuba, zu sprechen. So konnte auch die Gegenseite ihr Gesicht wahren.
Gerade in der Politik schwingt immer auch der Wunsch mit, vor der Öffentlichkeit als Sieger dar zu stehen. Das Wissen darum und die Empathie für das Gegenüber ermöglichen uns, bessere Deals zu treffen, die am Ende trotzdem zu unseren Gunsten ausfallen.
Von wem stammt die Verhandlungsmethodik?
Das Grundprinzip entspringt wie oben beschrieben einer langen Tradition. Neuen Aufschwung bekam die Methodik jedoch durch den Verhandlungsexperten Prof. Dr. Jack Nasher. Nasher ist Besteller Autor verschiedener Romane rund um das Thema Verhandlung (z.B „Deal: Du gibst mir, was ich will!“) und Leiter des führenden deutschen Instituts für Verhandlungstraining.
Wie kann ich lernen, eine goldene Brücke zu bauen?
Es gibt leider kein Patentrezept, denn jede Verhandlungssituation ist unterschiedlich. Dennoch gibt es ein paar Schritte, die wir durchlaufen können, um Routine darin zu bekommen, unseren Gegenüber besser zu verstehen und zu würdigen.
Perspektive eines Dritten in den Verhandlungen einnehmen
Gerade in einer hitzigen Debatte verlieren wir oft die Fähigkeit der Rollenübernahme. Um die goldene Brücke bauen zu können, ist es jedoch notwendig, dass wir inmitten der Verhandlung unsere Aussagen reflektieren und die Meta-Perspektive eines Dritten einnehmen. Die Frage „wie würde ein Außenstehender die Situation sehen und welchen Vorschlag könnte er einbringen, damit beide Seiten zufrieden sind?“ kann Wunder wirken. Die Verhandlung kurz zu pausieren kann ebenfalls helfen. So erhalten beide Seiten die Chance auf eine (kognitive) Pause und etwas Zeit zum Nachdenken.
Sich auf die Seite des Gegenübers schlagen
Dieser Aspekt erfordert nochmal mehr Übung als der erste Punkt. Wir denken trotzdem, dass es jeder Verhandlung extrem dienlich sein kann sich zwischendurch wirklich in die Perspektive des Gegenübers zu versetzen. Dabei geht es nicht primär um die Sachebene, sondern viel mehr um die Emotionen unseres Verhandlungspartners. Fragen wir uns doch zwischendurch einmal, ob unsere Wortwahl angemessen ist oder ob wir unserem Streitpartner den nötigen Respekt zollen. Wie würden wir uns im Umkehrschluss fühlen?
Je nach dem, in welcher Art von Verhandlung wir uns befinden, können wir dies auch als Grundregel festlegen: Nehmen wir regelmäßig kurz die Perspektive des Anderen ein und tun oder sagen wir nichts, was wir selbst als respektlos erachten würden!
Sich auf die Interessen hinter den Positionen konzentrieren
Jeder Mensch handelt immer nach bestem Wissen und Gewissen. Wir alle denken, wir würden mit unserem Verhalten das Richtige tun oder finden Gründe, unser Verhalten zu legitimieren. Diese Prämisse muss uns bei Verhandlungen bewusst sein. Versuchen wir doch einmal, neben der emotionalen Ebene auch die sachlichen Argumente des Gegenübers zu verstehen. Wir wissen, das kann eine echte Herausforderung sein. Es geht hier auch nicht darum, die Position zu teilen. Vielmehr wollen wir unseren Verhandlungspartner als ebenbürtig wahrnehmen. Am Ende ist Rollenübernahme in jeglicher Form immer eine Erleichterung. Sie schafft Verständnis, lockert die Situation auf und erspart oft sogar Zeit! Denken wir von vorne herein lösungsorientiert, anstelle uns auf unsere Position zu versteifen.
Optionen für beidseitige Gewinne brainstormen
Dazu ist es sehr hilfreich, die Schritte vorab zu gehen. Ziel einer Verhandlung ist nicht das Durchdrücken unserer Interessen um jeden Preis. Falls das überhaupt möglich ist, wird sich das Gegenüber definitiv gedemütigt fühlen, was wiederrum zu Konsequenzen nach der Verhandlung führen kann.
Werden wir zusammen kreativ! Eine Möglichkeit wäre es, in einem gemeinsamen Brainstorming verschiedene Szenarien der Einigung zu kreieren. Aus allen Möglichkeiten können sich die Partner dann auf jene einigen, die für alle Seiten in Frage kommen. Definieren wir best case und worst case Szenarien und treffen wir uns auf der Mitte.
Wie wäre es, eine Verhandlung eher als kooperatives Meeting zu sehen? Es stehen nicht zwei Seiten im Kampf gegenüber, sondern wir kooperieren, um ein gemeinsames Problem zu lösen.
Objektive Entscheidungsregeln aufstellen
Um einen sicheren und guten Rahmen für die Verhandlung zu schaffen, können wir vorab Entscheidungsregeln definieren. Einige Grundregeln könnten sein:
- Fairness: Wir kommen zu einer fairen Einigung
- Zeit zum Nachdenken: Vor einer finalen Entscheidung legen wir eine Gedenkpause ein
- Codewort Wenn die Debatte zu hitzig wird oder sich einer der Partner nicht gesehen fühlt, legen wir ein Codewort fest, welches uns aus der Situation herausholt.
- Empathie: Wir sehen einander und achten unsere Interessen.
Dies sind nur Beispiele. Im Endeffekt geht es darum, dass wir einen Safe Space erschaffen, in dem beide Seiten die Sicherheit bekommen, frei agieren zu können.
Limits vorab bestimmen
Fragen wir uns bereits vor der Verhandlung, wo unsere Limits liegen. Welche Kompromisse sind wir bereit einzugehen und welche nicht? Die Limits dürfen wir in der Verhandlung auch überdenken. Grenzen zu definieren stiftet aber zum einen wieder Sicherheit, da wir vorbereitet in das Gespräch gehen. Zum anderen verhindert die Selbstreflexion vorab, dass wir überrumpelt werden. Wie oft passiert es, dass man im Affekt einer Sache zusagt, die man vielleicht hinterher bereut? Das kann verhindert werden, indem wir uns die Grenzen vor Augen führen oder sogar aufschreiben.
Wichtig ist, dass wir die Grenzen des Anderen zu 100% respektieren. Wenn unser Partner seine Limits nennt, stellen wir diese nicht infrage. Sie sind fest, außer das Gegenüber entscheidet im Verlauf der Verhandlung über eine Änderung.
Fazit: Die goldene Brücke bauen
Mit den ersten sechs Schritten haben wir eine solide Basis gebaut, um nun die goldene Brücke schlagen zu können. Wir kennen die Bedürfnisse und Emotionen des anderen, auch kennen wir seine Limits. Schenken wir ihm nun die Aufmerksamkeit und Sicherheit die es braucht, damit uns der Verhandlungspartner Rechte zugestehen und sich zurückziehen kann.
Die goldene Brücke ist ein Verhandlungstipp, der Strategie und Menschlichkeit paart. Mit Respekt, Feingefühl und Empathie gewinnen wir oft mehr als mit einer Machtdemonstration. Im besten Fall ist die Beziehung zu unserem Verhandlungspartner im Nachhinein gefestigt und wir ersparen uns in Zukunft Zeit und Nerven in weiteren Verhandlungen.