Das resiliente Gehirn

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Resilienz
Resilienz

Anhand von Versuchen mit Tieren und Menschen konnte nachgewiesen werden, was sich im Gehirn abspielt, wenn man unter Stress steht. Besonders interessant sind diese Ergebnisse, weil ein einziges Hormon offenbar dafür verantwortlich ist, dass manche Menschen besser mit Stress umgehen können als andere Zeitgenossen – und dass sie deshalb eine größere innere Widerstandskraft mitbringen als andere. 

Die gestresste Ratte

Zuerst wurde mit Hilfe von Versuchen an Ratten herausgefunden, dass Tiere mit einer liebenden Rattenmutter sich nach außen hin genauso verhalten wie Tiere mit einer Mutter, die sie vernachlässigte. Die Jungtiere gehen unabhängig von der Behandlung durch ihre Mütter ihrem normalen Leben nach. Sie suchen sich eine Bleibe, sie gehen auf die Jagd, sie verstecken sich, und sie bringen selbst Kinder zur Welt. Sobald sie aber unter Stress stehen, weil sich in ihrem Umfeld etwas ändert oder weil sie selbst gejagt werden, waren Unterschiede festzustellen. Bei beiden Gruppen war ein starker Anstieg des Hormons Cortisol im Blut nachweisbar. Das Hormon wurde aber bei Ratten aus einem liebevollen Umfeld schneller wieder abgebaut. Offenbar bildeten sich im Gehirn noch während der Wachstumsphase mehr Andockstellen für den Abbau des Stresshormons aus als bei den vernachlässigten Tieren. Wenn also ein Tier in seiner Jugend nicht liebevoll versorgt wurde, ist sein Gehirn später nicht in der Lage, Stresshormone im Blut sofort und dauerhaft abzubauen. Der Körper bleibt praktisch in einer ständigen Stressphase. Das Interessante an diesen Ergebnissen war allerdings, dass sich im menschlichen Gehirn ähnliche Entwicklungen nachweisen ließen. In Studien wurde gezeigt, dass Kinder, die in ihrer Jugend missbraucht worden waren, im Erwachsenenalter stärker auf stressige Situationen reagieren und einen höheren Anteil des Stresshormons im Blut haben als Kinder, die in ihrer Jugend keine ähnlich traumatische Erfahrung machen mussten. Das bedeutet, dass die innere Widerstandskraft gestärkt wird, wenn ein Kind in jungen Jahren geliebt und umsorgt wurde. Das Gehirn baut dann mehr Synapsen auf, die das Stresshormon Cortisol schneller abbauen. Solche Kinder reagieren insgesamt auf Belastungen entspannter und gehen leichter mit Stress um. 

Der klein ausgebildete Hippocampus

Eine traumatische Kindheit hat aber noch weitere Auswirkungen auf die Entwicklung des Gehirns. Wiederum anhand von Tierversuchen wurde belegt, dass die Nervenzellen von traumatisierten Tieren in einem bestimmten Teil des Gehirns stärker ausgeprägt und verschachtelt waren als von gesunden Tieren. Die Gehirnstruktur befand sich im Cyrus Cinguli, der für die Verarbeitung von Gefühlen und Trieben zuständig ist. Er gehört zum Limbischen System und hat damit maßgeblich Einfluss auf die Verarbeitung von Emotionen. Bei traumatisierten Tieren wurde eine größere Anzahl von Synapsen festgestellt. Dadurch reagierten die Tiere in einer ihnen nicht bekannten Umgebung ängstlich und unsicher. 

Forscher gehen heute außerdem davon aus, dass die Widerstandsfähigkeit erheblich von biologischen Faktoren im Körper beeinflusst wird. Das bedeutet wiederum, dass man die Stressresistenz von Menschen sogar messen kann. In Studien wurde gezeigt, dass sich aus der Länge des Schreckreflexes ableiten lässt, wie gut der Mensch solche Ereignisse verarbeitet. Beispielsweise ist es bei jedem Menschen sehr unterschiedlich, wie lange er die Augenlider schließt, wenn er sich durch ein lautes Geräusch erschrickt. Auch ein Zusammenzucken bei einem lauten Knall lässt sich nach der Länge messen. Die Ausbildung des Hippocampus im Gehirn gibt ebenfalls Auskunft darüber, wie es um die psychische Stärke eines Menschen bestellt ist. Bei Tieren und Menschen, die in ihrer Jugend vernachlässigt wurden, konnte zum Beispiel belegt werden, dass wichtige Regionen im Gehirn nicht vollständig entwickelt waren. Menschen mit schweren Depressionen oder mit einer großen traumatischen Entwicklung zum Beispiel haben recht kleine Hippocampi. Wissenschaftler schließen daraus, dass kleine Hippocampi die Ursache für eine große psychische Anfälligkeit sind. Anhand von Studien mit Zwillingen wurde außerdem belegt, dass sich diese Gehirnregionen nicht erst durch ein traumatisches Ergebnis entwickeln, sondern dass sie von Geburt an da sind und somit die Widerstandsfähigkeit deutlich beeinflussen. Noch ist die moderne Forschung nicht weit genug, um aus solchen Resultaten Empfehlungen abzuleiten. Allerdings liegt hier ein enormes Potenzial, denn man könnte zum Beispiel Soldaten oder Menschen mit sehr belastenden Berufen zunächst untersuchen, um ihnen dann von einer Tätigkeit mit einem hohen traumatischen Anteil abzuraten. Hier liegt Potenzial, das die Forschung bisher noch nicht annähernd genutzt hat. Mindestens ließe sich dadurch vermutlich die Zahl der an Burnout oder Depressionen Erkrankten reduzieren, die durch das berufliche Umfeld entstehen, wenn dieses sehr stark belastungsanfällig ist. Natürlich muss sich in Zukunft noch zeigen, ob die Resultate dieser Forschungen Bestand haben und ob sie sich erhärten. Ist das der Fall, dürften sich auch die medizinischen Untersuchungen im Rahmen einer Aufnahmeprüfung in Zukunft noch erheblich verändern. 

Im Ergebnis konnten ältere und neuere Studien zeigen, dass es durchaus einen direkten Zusammenhang gibt zwischen der Betreuung von Kindern in der frühestens Jugend und der späteren Stressanfälligkeit. Ebenso konnte bewiesen werden, dass die Gehirnstruktur mit der Anzahl und der Art der Synapsenbildung bei Kindern aus liebevollen Verhältnissen anders aufgebaut sind als bei Kindern aus traumatischen Verhältnissen. Somit liegt der Schluss nahe, dass durchaus ein Zusammenhang besteht zwischen der inneren Widerstandskraft und der Erziehung in der frühestens Kindheit. Damit kommt der Betreuung durch die Eltern und der liebevollen Fürsorge eine große Bedeutung zu. Überraschend sind diese Ergebnisse vermutlich nicht, doch es ist spannend zu sehen, dass sich eine hohe innere Widerstandskraft offenbar auch in der Gehirnstruktur spiegelt. 

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Umsetzung-Genie